von Manfred Deiler.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 wurde im Raum Landsberg mit dem Bau von drei halb-unterirdischen Großbunkern begonnen. Zweck dieses Vorhabens war die Errichtung bombensicherer, getarnter großer Gebäude, in denen unter anderem der neueste Typ des strahlgetriebenen Messerschmitt-Flugzeugs „Me 262“ ohne größere Produktionsunterbrechung gebaut werden konnte. Die drei Rüstungsbauten erhielten die Codenamen „Walnuß II“, „Weingut II“ und „Diana II“, und sollten alle vom Aufbau her gleich sein.
Nach groben Einschätzungen des stellvertretenden Bauleiters, Rudolf Neuhaus, sollten alleine für die Bunkerschale des Großbunkers „Weingut II“ eine Million Kubikmeter Erdbewegungen und 310 000 Kubikmeter Beton benötigt werden.
„Weingut II“ war ein „dickwandiges, hallenförmiges Bauwerk aus Stahlbeton“, das groß genug war, „ein fünfstöckiges Stahlbetongebäude aufzunehmen“.
Zunächst war ein vierhundert Meter langes Betongewölbe geplant. Später wurden jedoch die Pläne geändert und das Betongewölbe wurde auf 240 Meter verkürzt. Die maximale Breite des Gewölbes, das durch mächtige Widerlager getragen wurde, betrug 85 Meter, die Höhe 28,4 Meter. In der ursprünglichen Planung war ein fünf Meter dickes Betongewölbe vorgesehen, das für ausreichend erachtet wurde, um der Sprengkraft von 6-Tonnen-Bomben standhalten zu können. Tatsächlich aber wurde aus Materialmangel nur eine drei Meter dicke Betonschicht aufgetragen, die dann mit einer fünf Meter dicken Kiesschicht abgedeckt werden sollte.
Als innere Schalung für das Gewölbe diente eine konvexe Aufschüttung von insgesamt 210 000 Kubikmetern Kies. Unter der Kiesaufschüttung, entlang der Längsachse des Großbunkers befand sich ein rechteckiger Bergungstunnel aus Stahlbeton, durch den der Schalungskern mit einer Schmalspurbahn nach der Fertigstellung des Gewölbes, entfernt werden sollte.
Auf dem Schalungskern wurde eine Deckschicht bis zu 20 cm Magerbeton aufgebracht, in die eine Eisenarmierung eingebracht wurde. Darauf wurde dann mit Pumpen die Betonschicht aufgetragen. Durch eine äußere Holzschalung, die durch Verstrebungen gesichert wurde, sollte ein Abrutschen des Betons verhindert werden. Es war vorgesehen, das Gewölbe in neun Abschnitten zu betonieren. Zum Gießen eines 20 Meter langen Gewölbeabschnitts waren drei bis vier Tage erforderlich.
Die Kiesaufschüttung, die als innere Schalung gedient hatte, wurde zum Teil durch den Bergungstunnel entfernt. Dass eine Kiesaufschüttung als Schalung für eine Gewölbekonstruktion dieser Spannweite und Mächtigkeit, und nicht eine bis dahin allgemein übliche Schalung aus Holz und Metall verwendet wurde, war für die damalige Zeit eine bautechnische Besonderheit, die von dem Rektor der Technischen Hochschule Berlin, Prof. Dr. Ing. Dischinger, dafür entwickelt worden war, Zeit und „kriegswichtiges Material“ zu sparen.
Die Ausführung der Bauarbeiten für „Walnuß II“ wurde der Firma Karl Stöhr, für „Weingut II“ der Firma Leonhard Moll AG und für „Diana II“ der Frima Phillipp Holzmann AG übertragen. Die Innenausbauten sollten die beiden Betonfertigteilfirmen Dyckerhoff & Widmann und Held & Francke übernehmen.
Alleine für die von der Firma Leonhard Moll lediglich am Gewölbe ausgeführten Arbeiten sollten die „geschätzten Baukosten“ 20.179.700,00 Reichsmark betragen. Tatsächlich wurde von den Arbeiten bis Kriegsende jedoch nur ein Anteil von ca. 70,3%, d.h. im Wert von 14.000.000,00 Reichsmark ausgeführt.
Nach einer Aufstellung der Firma Dyckerhoff & Widmann vom 6. Juli 1944 für die Wirtschaftsgruppe Bauindustrie verdiente ein Deutscher Facharbeiter 0,90 RM, ein ungelernter deutscher Arbeiter 0,60 bis 0,80 RM und ein Zwangsarbeiter 0,60 RM in der Stunde. „Die Hilfskräfte, voraussichtlich Juden“, sollten „vom Unternehmer nicht entlohnt und ihm auch sonstwie nicht in Rechnung gestellt werden.“
Für einen jüdischen KZ-Häftling berechnete die SS-Verwaltung für Kleidung, Essen, Verpflegung, Unterkunft usw. einen Tagessatz von 0,60 Reichsmark. Die Gelder, die hier durch die Sklavenarbeit mit jüdischen KZ-Häftlingen eingespart, bzw. verdient wurden erreichten Millionenhöhen. Bis heute lehnen alle beteiligten Firmen Entschädigungen an ehemalige KZ-Häftlinge rigoros ab.
Finanzexperten aus den Führungsetagen des Rüstungsministeriums, wie zum Beispiel Professor Hettlage , der unter anderem mit der Gesamtsteuerung, den Kosten und der Finanzierung bombensicherer Rüstungsbauten befasst war, stieg später in der Bundesrepublik Deutschland zum Staatssekretär im Finanzministerium auf. Eine weitere führende Persönlichkeit der Einsatzgruppe VI der OT, Dr. Guthsmuths, wurde zum Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft bestellt. Der stellvertretende und meist amtierende Leiter des Ingenieurbüros Schlempp, das wenige Wochen nach Bildung des Jägerstabes die Organisation und Leitung von Luftrüstungsbauvorhaben, besonders der unterirdischen Verlagerungsbetriebe sowie der dazugehörigen Konzentrationslager übernahm, Heinrich Lübke, stieg sogar bis in das höchste Staatsamt auf. Der Großbunker „Weingut II“ wurde in den fünfziger Jahren unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauß von der Bundeswehr übernommen, fertiggestellt und beherbergt heute die Luftwaffe.
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aus dem Fotoalbum des stellvertretenden Bauleiters der OT Rudolf Neuhaus, Kaufering, zusammengestellt von Manfred Deiler