von Manfred Deiler.
Erstveröffentlichung des Aufsatzes in der Fassung von 1993 erschienen in: Landsberg im 20. Jahrhundert – Themenhefte zur Landsberger Zeitgeschichte – Heft 4: Das KZ-Kommando Kaufering 1944/45: Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt „Ringeltaube“ – ISBN: 3-9803775-3-9.
Ankunft im Lager
In Auschwitz trieb man uns in bereitgestellte Viehwagen. Wieder zusammengepfercht, mit einem Stückchen Brot und etwas Margarine ausgerüstet, fuhren wir einige Tage in geschlossenen Waggons und kamen schließlich in Kaufering an. (Elias Godinger)
Am Bahnhof Kaufering gab es drei Bahnsteige. Hinter den Bahnsteigen waren die Abstellgleise. Einmal ist da ein Zug angekommen – ich glaube ich habe danach acht Tage nichts mehr essen können. Die Häftlinge waren in geschlossene Wägen eingepfercht, schlimmer wie ein Vieh. Diejenigen die tot waren, die haben sie hinten herausgeschmissen. Da ist eine kleine Böschung hinuntergegangen. Die anderen wurden herausgetrieben und geschlagen. Es war furchtbar! Die Toten sind tagelang da unten gelegen. (Anni Gabler)
Die Menschen waren in den Waggons tagelang ohne Essen und Trinken. Hunderte verhungerten und verdursteten, die Überlebenden waren mit Haut überzogene Skelette. Beim Aufsperren der überladenen Waggons fielen uns Tote und fast wahnsinnig gewordene Überlebende heraus. Stundenlang schleppten wir die Toten von der Bahn weg. (Miroslav Karny)
Am 24.10.44 sind wir, eine Gruppe von 1200 Juden, von Auschwitz in unbekannter Richtung evakuiert worden. Nach drei Tagen sind wir in Kaufering angekommen und gleich vom Bahnhof in das danebenliegende Lager III geführt worden. Dort wurden wir noch am selben Tag aufgeteilt und in die umliegenden Lager geschickt. … Bei der Ankunft wurden wir vom jüdischen Kapo Bursztyn, welcher schon etliche Juden auf seinem Gewissen hatte, angeschrien. Er ließ uns wissen, daß wir in einer Abteilung von Dachau angekommen sind und daß keiner von uns als Lebendiger herauskommen würde. (Zew Garfinkel)
In Kovno wurden wir in Güterwagen verladen. Als wir nach drei bis vier Tagen in Kaufering ankamen, mußten wir den Weg von der Bahnstation zum Lager I zu Fuß zurücklegen. Wir gingen nicht auf dem Hauptweg, sondern wir marschierten über die Felder….. Ich weiß nicht mehr, ob es am selben Tag oder am nächsten Tag war, jedenfalls wurden wir registriert. Mein Vater bekam die Nummer 81498 und ich die Nummer 81499. Man nahm uns unsere Kleider und all unser Hab und Gut ab und wir erhielten Häftlingskleidung… Es wurde befohlen, sämtliche Dokumente, Wertsachen und Geld abzuliefern. Einige Leute wollten das Geld nicht abgeben und sie haben es in die Latrine geworfen. Nachher wurden Leute ausgewählt, um das Geld und die Wertsachen aus der Latrine wieder herauszufischen. (Louis Braude)
… standen wir vor dem Lager Kaufering bei Landsberg, einem Tochterlager von Dachau. Wir mußten den ganzen Tag vor dem Lager stehen und wurden systematisch unserer Kleidung und Wertsachen beraubt. (Maria Tuszkay)
Kirsch gab den Befehl, die großen Mäntel, Unterwäsche, sogar Schuhe, Uhren und Wertgegenstände und Papiere wegzunehmen. Er sagte, daß an diesem Ort keine Personalpapiere nötig seien. (Dr. Jacob Kaufman)
Nach unserer Ankunft mußten wir zum sogenannten Appell antreten. …Meine Freundin und ich übersetzten was die Deutschen uns erzählten: „Das wird das Essen für euch sein, ihr schmutzigen, jüdischen Säue. Das ist alles was ihr in der nächsten Zeit bekommen werdet, bis ihr tot umfallt!“ (Gisela Stone)
In Kaufering empfing uns Rapportführer Kirsch. Er belehrte uns über die Pflichten eines Konzentrationslagerinsassen: „Ihr dreckigen Schweine, ihr wißt, daß ihr von diesem Tag an Dachau-Brot essen werdet und das bedeutet, daß ihr, bevor eure Zeit kommt, zur Hölle fahren werdet, falls ihr eure Pflicht nicht erfüllt. (Dr. Selmond Greenberg)
Die Unterbringung im KZ
Rundherum doppelter, dichter, undurchdringlicher Stacheldraht und im Abstand von etwa dreißig bis vierzig Metern je ein Wachturm. (Ladislaus Ervin-Deutsch)
…alle fünf bis sechs Meter brannten Scheinwerfer. In den vier Ecken waren Wachtürme und darin ein SS-Bursche mit Maschinenpistole.(Dr. A. Jehuda Garai)
Weniger als zwei Meter durfte man sich dem Zaun nicht nähern, denn der Wächter schoß. (Dr. A. Jehuda Garai)
Wir kamen in ein Lager, welches noch nicht fertiggestellt war. Dort waren kleine Rundhütten aus Sperrholz. Nachdem das Lager fertig war lebten wir in Erdhütten. (Dr. Selmond Greenberg)
Sie steckten uns in Erdhütten. Diese befanden sich in der Erde und hatten nur ein kleines Dach. (Gisela Stone)
In der Mitte der Erdhütten befand sich ein schmutziger Graben. Der Graben war durch ein Dach geschützt. Links und rechts des Grabens, kniehoch, gab es einen Holzboden, der mit Holzwolle bedeckt war. Der Boden des Grabens war unter dem Niveau des Erdbodens. Wir schliefen auf der Höhe der Erdoberfläche. Das Dach war mit Erde bedeckt. Es war der einzige Platz auf dem Lagergelände an dem Gras wuchs. Jede Hütte hatte nur einen Eingang und am Ende einer jeden Hütte gab es ein Doppelfenster. Eine Hütte war ungefähr 12 Meter lang, der Mittelgang war circa einen Meter breit. Die linke und die rechte Seite des Grabens maß>jeweils 1,70 Meter. (Dr. Norbert Fried)
In der Mitte konnte man gerade noch aufrecht gehen, doch mußte man liegend auf die nackte Schlafstätte kriechen. Diese Unterbringung war noch ärger als in Auschwitz. (Elias Godinger)
Die Decke war derart niedrig, daß man auf dem Bohlenbelag nicht sitzen konnte. Andererseits hatte man wegen dem stark abfallenden Dach nicht mehr als 10 cm Platz für die Füße. Es waren keine Baracken, sondern Hundehütten und obendrein waren sie noch völlig verdreckt. (Sara Bentar/Anne Cohen/G. u. L. Hasson)
Es waren 50 Häftlinge in jeder Erdhütte. (Dr. Norbert Fried)
Zu manchen Zeiten waren sogar 110 oder 120 Menschen in einer Hütte untergebracht. (Dr. Selmond Greenberg)
Wenn ein Fenster zerbrach und mit Karton ersetzt werden mußte, war die Beleuchtung spärlich. Deshalb leitete man später auch den Strom ein, die Lampe hing neben dem Ofen. Überhaupt ist der Ofen der Mittelpunkt der Hütte. Hier gibt es Wärme, hier kann man Kartoffeln braten, hier ist die Beleuchtung. … Wenn es aber regnet: das Wasser steht am gestampften Boden, manchmal reicht es bis zu den Liegelatten, es überschwemmt sie sogar. … auf dem engen Platz war es ständig stinkend und feucht, und wenn wir alle lagen, dunsteten die feuchten Kleider aus, und fast alle wurden krank. (Dr. A. Jehuda Garai)
Wenn es regnete, und das kam häufig vor, regnete es durch. Wenn der Schnee kam, fing er an zu schmelzen, sobald die von unseren Körpern ausgedünstete Wärme die Schneeschicht erreichte. (Sam Berger)
In dem einzigen kleinen Ofen wurde nur abends geheizt. Ein wenig Heizmaterial bekamen wir als Zuteilung, aber viel mehr waren wir angewiesen auf das, was „organisiert“ wurde. (Miroslav Karny)
Unsere Hütte war weder isoliert noch beheizt und wir hatten natürlich nur eine dünne Decke um uns zuzudecken. Während der Nacht drängten wir uns zusammen, um uns zu wärmen. (Otto Greenfield)
Wenn unser Bunker voll belegt war, konnten wir aus Platzmangel nicht auf dem Rücken liegen. (Sam Berger)
Es gab kein Bettzeug und wir schliefen auf einem armseligen, mit Holzwolle bedeckten Bretterboden. Jeder Gefangene hatte eine Decke. Es hätten zwei für jeden sein sollen, aber es waren zu keiner Zeit zwei Decken für jeden Gefangenen im Lager. (Dr. Norbert Fried)
Manche haben sich ausgezogen und sind schlafen gegangen, ich habe es vorgezogen, in den nassen Sachen zu schlafen, denn es war viel unangenehmer am nächsten Morgen in kalte Kleider hineinzuschlüpfen. (Louis Braude)
Die Kleidung der KZ-Häftlinge
Wir hatten nur die vorgeschriebene Häftlingskleidung und schwere, sehr unbequeme Holzschuhe. Unterwäsche hatten wir keine. …Unsere Leute hatten keine warmen Mäntel und keine warme Kleidung. Einige gingen im Schlafanzug zur Arbeit. (Dr. Selmond Greenberg)
Wir erhielten unsere Kleidung in Auschwitz. Ich erhielt mein Hemd am 3.10.1944 und bis zum Tag der Befreiung bekam ich kein anderes Hemd. Es gab keine Waschmöglichkeiten und kein warmes Wasser. Als wir damals unser Hemd erhielten, bekamen wir eine kurze Unterhose – Unterwäsche – und diese Dinge waren hergestellt worden – die Unterwäsche von Auschwitz – sie war hergestellt worden in der Gebetsmantelfabrik der polnischen Juden und es bedeutete für die Religiösen unter uns einige Schwierigkeiten, solche geheiligten Dinge als Unterwäsche zu tragen. Dann hatten wir eine Hose, eine Jacke und die 600 tschechischen Juden, die mit mir angekommen waren, hatten sogenannte Zivilkleidung. Das war die Bekleidung der ermordeten Juden aus Auschwitz. Die Häftlinge wurden mit großen Buchstaben auf dem Rücken, mit Kreuzen, mit Nummern und mit roten Symbolen gekennzeichnet. (Dr. Norbert Fried)
…das einzige Kleid mußte gleichzeitig auch als Unterhemd, als Unterhose, als Taschentuch und als Handtuch dienen. (Sara Bentar/Anne Cohen/G. u. L. Hasson)
Die Häftlinge hatten nur wenig oder gar keine Unterwäsche …Die Leute kamen, wie sie mir erzählten, aus Litauen mit guten Lederschuhen an. Gewöhnlich mit zwei Paar. Diese wurden ihnen weggenommen und durch Holzschuhe ersetzt. Diese Schuhe waren sehr bald abgetragen; das war auf die Arbeit und den Weg von und zur Arbeit zurückzuführen. Dann hatten die Häftlinge keine Schuhe mehr und sie mußten sich Papierzementsäcke um die Füße wickeln. (Karl Stroh)
Wir haben im Lager Westen und Hosen aus Kreppapier bekommen. Das haben wir sozusagen als Unterwäsche gebraucht, denn Papier ist warm. (Louis Braude)
Ich hatte keine Schuhe und machte mir aus Bretterstücken und alten Säcken einen Fußschutz, welchen ich mit Draht an meinen Füßen befestigte. (Elias Godinger)
Sehr gelitten habe ich durch die Holzpantoffeln. Sie bestanden aus Holzsohlen und ich glaube der obere Teil war aus Leder. Das hat mir am Rist meiner Füße schwere Wunden gescheuert… die Narben an den Füßen sind heute noch zu sehen. (Louis Braude)
Unsere Schuhe waren voller Löcher, wir trugen keine Socken, unsere Füße hatten blaue Flecken und unsere Beine waren geschwollen. Wir versanken knietief im Schnee. Als Bekleidung trugen wir nur unsere gestreiften Häftlingsuniformen und ab und zu einen Mantel aus dem selben dünnen Material … Die Temperaturen im Winter variierten von 15 bis 20 Grad minus. (Dr. Albert Menasche)
Die meisten merkten sehr schnell, daß der Schnee durch ihre Schuhe geht, oder daß ihre Papierschuhe durchnäßten. Viele traten mit ihren Füßen auf einer Stelle, denn sie hatten gar keine Schuhe. (Dr. A. Jehuda Garai)
Hygienische Bedingungen
Es gab fast kein Wasser; keine Seife war erhältlich und wir trugen noch immer die Kleidung, die uns bei der Abfahrt von Birkenau gegeben worden war. Bald tauchten Läuse auf. (Dr. Albert Menasche)
Zu uns gesellten sich Läuse, Kleiderläuse – wo sie herkamen, weiß ich nicht. Sie waren plötzlich da, in großen Mengen, und für Nachwuchs war bereits gesorgt. Die Nissen waren nicht mehr zu übersehen. Anfangs schämte man sich und man knackte sie heimlich zwischen den Daumen und Fingernägeln. (Sam Berger)
Da wir über und über voll Läuse waren kratzte meine Freundin die ganze Nacht meinen Kopf. Es gab drei verschiedene Arten von Läusen; die Läuse auf dem Kopf, auf dem Körper und im Intimbereich und die in den Kleidern. Sie wimmelten nur so. Es war fürchterlich! (Gisela Stone)
Als wir in das Lager IV kamen, fanden wir die Läuse schon vor. Die Anzahl der Läuse wuchs schrecklich an. Die Decken der kranken Menschen waren weiß vor Läusen. (Dr. Norbert Fried)
Alle sind verlaust und ungeheuer viele Läuse an jedem. Manchmal, wenn ein Häftling seine Mütze abnimmt, wimmelt es darunter weiß scheinend von den vielen Läusen. Aber wenn jemand gestorben ist, verlassen die Läuse seinen Körper und kriechen auf seine Kleider. Die Kleidung des Toten wurde neben den Ofen geworfen. Aus dem schwarzen Mantel begannen die Läuse hervorzukriechen. Dann wurde der Mantel grau, später ganz weiß. Als ich ihn mir aus der Nähe ansah, sah ich darauf aufeinander wogende Läuseschichten wimmeln. … Die Läuse machten zu Grunde, was von unserem Leben noch übrig blieb und verursachten ungeheuer viel Leiden. (Dr. A. Jehuda Garai)
Man wollte die Läuse ausrotten, denn die SS hatte auch große Angst, vor Typhus insbesondere, und die Läuse haben keine Rassenunterschiede akzeptieren wollen. … Tür und Fenster, die einzigen Öffnungen unserer Baracken, waren abgedichtet. Die Gase reingelassen, und wir in ein Zelt in der Nähe des Lagers aufgestellt, zum Entlausen angetreten. Die Wäsche, bis auf die Schuhe, gebündelt in einen Behälter geworfen. Wir mußten unter die Duschen. Heiß, fast kochend kam das Wasser aus den Brausen, und dann kalt. Endlich bekamen wir unsere Sachen wieder, aber der Schwefelgeruch war in den Sachen. Es hat mehrere Tage gedauert, bis der Gasgeruch allmählich verschwunden war. Nicht anders ist es uns in den Baracken ergangen. Die feuchten Decken haben den Gasgeruch aufgesaugt, und zum Ersticken war die Luft, kaum zu atmen. Wir haben es endlich überstanden. Die Läuse haben es nicht, aber die Nissen bestimmt, denn sie erschienen als Läuse in kürzester Zeit wieder und plagten uns wie ihre Vorgänger zuvor. (Sam Berger)
Wir gingen zur Entlausung und wir waren die einzigen zwei Frauen unter ungefähr 100 Männern, die mit uns entlaust werden sollten – für uns alleine stellten sie die Anlage nicht an. Wir standen da. Sie gaben uns ein Handtuch und wir bedeckten uns, obwohl es nicht mehr viel zu bedecken gab. (Gisela Stone)
Die Verpflegung im Lager
Morgens erhielten wir schwarzes Wasser – kein Kaffee, kein Zucker darin. Wenn wir auf dem Baugelände arbeiteten, bekamen wir eine Suppe, die sogenannte „Mollsuppe“. Das war ungefähr ein 3/4 Liter Wasser mit getrocknetem Gemüse darin. Die Suppe war wässerig. Dann, nach der Rückkehr von der Arbeit, abends um 8,00 Uhr, manchmal 10,00 Uhr, bekamen wir die Lagersuppe. Das war ungefähr ein Liter Suppe, gekocht mit ungeschälten Kartoffeln und manchmal mit Kohl. Die Lagersuppe war etwas besser als die „Mollsuppe“, aber sie war sehr dünn. Es waren manchmal nur zwei Hälften von ungeschälten Kartoffeln in einem Liter Suppe. (Dr. Norbert Fried)
Ein Laib Brot wog 1500 Gramm. Am Anfang gab es 1/4 Laib, dann 1/5, 1/6, 1/7, dann am Schluß 1/8 Laib. 1/8 Laib ist soviel wie zwei Scheiben Brot. (Dr. Norbert Fried)
Abends haben wir ein Stück Brot und eine Suppe bekommen – es hat ausgesehen wie eine Suppe — das waren vielleicht am Tag 200 Kalorien, wenn es 250 oder 300 Kalorien waren, war es schon viel. (Mark Weinberg)
…dazu kam die sogenannte Zubuße, bestehend entweder aus 20 g Margarine oder einer Scheibe minderwertiger Wurst oder einem Stückchen Käse, Kunsthonig oder einem Löffel flüssiger Marmelade usf., täglich wechselnd. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
Auf der Baustelle erhielten wir keine Schüsseln oder Teller. Wenn wir Suppe haben wollten, mußten wir rostige alte Konservendosen oder andere Dinge, welche wir benutzen konnten, suchen. Im Lager gab es 400 Suppenschüsseln für 3000 Häftlinge. Ungefähr 2000 Häftlinge kehrten immer zur selben Zeit von der Baustelle zurück. So gab es lange Reihen von hungrigen und müden Menschen, die schon 16 Stunden Stehen hinter sich hatten. Sie mußten sich vor der Küche aufstellen und auf ihre Suppenschüsseln warten. Das Geschirr wurde nicht gewaschen und es ging nur von einem zum anderen. (Dr. Norbert Fried)
…diese Suppenschüsseln pflegten in letzter Zeit, nachdem schon die desolaten Zustände im Lager zu herrschen begonnen hatten, nicht nur zur Suppenfassung benützt zu werden, sondern auch als Waschschüssel und gleichzeitig auch als Nachtgeschirr. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
Auf einem großen Brett wurden mit den zu Messern geschliffenen Stielen unserer Wehrmachtslöffel portionierte Häufchen zusammengeschnitzelt, die dann von allen, die noch nicht zu apathisch waren, begutachtet wurden…. dann wurden die Portionen verlost. (Prof. Herbert Thomas Mandl)
Später änderte sich die Beschaffenheit des Brotes… denn das Brot hatte seine feste Konsistenz verloren und eine neue Färbung angenommen – es war tiefgrün, völlig verschimmelt… Die Brotration – verschimmelte wie unverschimmelte Brocken – wurde in eine Konservendose getan und etwas „Kaffee“ darübergegossen. An einem Draht wurde das Behältnis in den kleinen eisernen Ofen in der Mitte des Blocks gehängt. Unter dem Behältnis wurde die Glut zum Feuer gesteigert, wobei als Heizmaterial die Kleider der Verstorbenen benutzt wurden. Das Warten auf die Verwandlung war quälend, aber lohnend. Nach einer gewissen Zeit war das Grün des Schimmels restlos verschwunden; man konnte das bräunliche Produkt sofort, solange es noch halbflüssig war, zu sich nehmen… (Prof. Herbert Thomas Mandl)
Die Leute aßen das an der Seite der Baracke gewachsene Gras, staubig, dreckig, wie sie es von der Erde pflückten. (Dr. A. Jehuda Garai)
Der Hof war von den hungernden Häftlingen leer gegrast bis auf die bittersten Gräser. (Sam Berger)
Manchmal waren wir so hungrig, daß wir im Kommando, indem wir den Wagen zogen, die Krautblätter und gefrorene, eßbare Sachen auflasen, die auf dem Weg herumlagen, oder wir kratzten aus den Misthaufen und Gräben am Weg Kohlrabischalen, Möhrenstengel, weggeworfene Knochen aus, und wir nagten sie in unserer Not. (Dr. A. Jehuda Garai)
…die waren ja normal krankenhausreif oder fast bereit zum Sterben – und da sind die an unserem Acker vorbei und die haben Hunger gehabt wie die Wölfe. Da sind zwei , drei hin und haben ein paar Kartoffeln heraus – da ist der Posten gleich vor und hat die mit dem Gewehr niedergeschlagen – ich sage ihnen, furchtbar. Gebrüllt hat der, so wie man einen Stier bändigt… So geht man mit einem Vieh nicht um. (Franz Rech)
Die Landsberger Bevölkerung hat sich nicht gut verhalten. Die haben uns für Feinde gehalten. Ich habe immer gesagt: „Jeden Deutschen, den ich nach dem Krieg treffe, werde ich totschlagen.“ Aber ich habe auch Kinder gesehen – die Kinder haben uns Essen gegeben – Päckchen mit Essen, es waren gute Deutsche. (Mark Weinberg)
Sobald ich bei jemanden die Anzeichen des Todes registrierte, beobachtete ich ihn mit der Ausdauer und der Geduld eines Aasgeiers. Kaum war er tot, ging ich zu seiner Lagerstatt und suchte nach Brot. … ich aß das Brot, ohne Rücksicht auf dessen Zustand. Brot, das unter verlausten Darmkranken gelegen hat …(Prof. Herbert Thomas Mandl)
Waren einmal die allerletzten Reste Fett im Unterhautzellgewebe aufgebraucht, sahen wir einmal wie mit Haut und darüber einigen Fetzen verkleidete Gerippe aus, dann konnten wir zusehen, wie der Körper sich selbst aufzufressen begann: der Organismus zehrte sein eigenes Eiweiß auf, die Muskulatur schwand dahin. Nun hatte der Körper auch keinerlei Widerstandskräfte mehr. Einer nach dem anderen aus der Gemeinschaft der Baracke starb weg. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
…der erste Hungernde erschien mit dem Fleisch. Er knabberte daran, es schmeckte ihm. Es war ein guter Braten. Danach folgten auch andere seinem Beispiel und kauten das blutige Fleisch der Menschen. Es schauderte uns. Danach folgte unser Ringen mit uns, um uns. Das Menschenfleisch lockte und unsere Sinne ekelten sich… (Dr. A. Jehuda Garai)
Der Appell
Um 4.30 Uhr wurde der Häftling geweckt. Im Laufschritt wurde er zum Appellplatz getrieben. … Dann stand man 1 1/2 Stunden, ob es regnete oder schneite, auf dem Appellplatz. Man wurde unzählige Male gezählt. (Dr. Selmond Greenberg)
Wir sagten, daß wir wie Gold gezählt, aber wie Dreck behandelt wurden. (Dr. Norbert Fried)
Das Brüllen gehörte zum Appell, der Appell gehörte zur Lagerordnung. (Sam Berger)
Abends und morgens war ein Appell, der ungeachtet der Wetterverhältnisse (Kälte, Regen, Schnee) stundenlang, manchmal auch die ganze Nacht dauerte. Wir mußten „still stehen“ und dazu kamen noch verschiedene „Übungen“, wie z.B. „Mütze auf“, „Mütze ab“ und anderes. Alles wurde solange geübt und von den Kapos mit Geschrei und Schlägen überwacht, bis der Kommandant mit der Ausführung zufrieden war. (Elias Godinger)
Die Appelle waren während der Nacht alle zwei oder drei Stunden. So bekamen wir nicht einmal genug Schlaf. (Gisela Stone)
…wir stürzten hinaus auf den Appellplatz – und standen und warteten – ich weiß nicht wie lange – in Gruppen von einhundert. An milden Morgen war das eine böse Sache, denn wir werden dort wohl zwei Stunden lang gestanden sein; an kalten Morgen war dies mörderisch und wenn dazu noch ein kalter Wind blies, wußten wir kaum, wie wir das ertragen sollten. Aber vielleicht das Schlimmste war Treibregen, der uns durchnäßte und uns zum Frieren und zur Verzweiflung brachte. (Otto Greenfield)
Die Täter
Manchmal befahl Tempel denen, die Schuhe anhatten aber nicht arbeitstauglich waren, ihre Schuhe auszuziehen und denjenigen von uns zu geben, die, wie sie sagten, im Stande waren zu arbeiten und keine Schuhe hatten.Tempel nannte dies, uns den „deutschen Sozialismus“ lehren. (Dr. Norbert Fried)
Gewöhnlich durchsuchte Tempel die Menschen, wenn sie von der Arbeit zurückkamen. Wenn er irgendetwas, wie zum Beispiel Kartoffeln oder Zigaretten bei ihnen fand, trat er sie in den Magen. (Abraham Rosenfeld)
Im Lager IV war der Name Tempel ein Wort des Schreckens. (Moses Berger)
Tempel trug als Spazierstock ein gummiummanteltes Kabel mit sich, mit dem er die Häftlinge schlug. (Dr. Norbert Fried)
…ein abgesägtes Stück Kabel; am glatt abgesägten Ende war der Querschnitt sehr genau zu sehen – die kunstvoll verflochtenen Metallschichten, von einer relativ dünnen Isolierschicht umgeben – viel Metall, wenig Gummi; mit subtiler Liebe zum Detail beschrieb er die Wirkung: „Die Haut platzt auf, aber bei stärkeren Schlägen geht auch die Muskulatur mitsamt den Knochen zum Teufel“. (Prof. Herbert Thomas Mandl)
Tempel nahm ein Kabel und schlug damit diesen Mann schrecklich. Später, als er glaubte, daß er ihn immer noch nicht genug geschlagen hätte, trat er ihn auch noch. Er schlug ihn, bis dieser keine Kraft mehr hatte aufzustehen und ihm das Blut in Strömen vom Kopf lief. Tempel rief:“ Tragt diesen Dreck fort!“ (Chaim Sendofski)
Mein Freund und ich verließen den Block und gingen zur Ecke des Appellplatzes in der Nähe des Frauenlagers. Etwas entfernt sahen wir auf dem Boden ein Stück Brot liegen. Mein Freund bückte sich, um das Brot aufzuheben. Tempel zog eine Pistole heraus, schoß, und tötete ihn. (Abraham Rosenfeld)
Ich kann mich an vier Männer erinnern, die sich im Frauenblock versteckt hatten. Sie wurden von Tempel ergriffen und er trieb sie mit einer Pistole in der Hand heraus. Auf dem Appellplatz, auf dem ich lag, erschoß er zwei dieser Leute. Sie blieben tot auf dem Platz liegen. (Moses Berger)
Als wir vom Arbeitskommando zurückkamen, fand Kramer etwas Holzwolle bei einem Vater und seinem Sohn. Sie hatten die Holzwolle an ihrem Arbeitsplatz gefunden. Kramer fragte die beiden, wofür sie die Holzwolle bräuchten. Sie antworteten: „Wir wollen Kopfkissen machen“. Kramer behauptete, daß sie Saboteure wären und sie die Holzwolle aus den Paketen entwendet hätten. Er trat und schlug beide; den Vater und den Sohn. Er prügelte mit den Fäusten auf sie ein und trat sie mit den Füßen. Beide brachen auf dem Appellplatz von den Schlägen, die sie erhielten, zusammen. (Moses Rutzaisky)
Wann auch immer das Arbeitskommando von der Nachtschicht zurückkam, selektierte Kramer die Kranken heraus. Diese mußten sich alle restlos entkleiden…Wenn er zwei Hemden bei einem Häftling fand, schlug er ihn fürchterlich. (Riva Levi)
Ohne jeden Grund schlug Kramer die Häftlinge auf dem Appellplatz zusammen. Er schlug sie in zynischer und sarkastischer Art. Ein Häftling fiel zu Boden, aber das befriedigte ihn nicht. Er trat ihn mit Füßen und Schaftstiefeln in den Unterleib. Ein Häftling, der in solcher Art und Weise mißhandelt wurde, kam für einige Tage in den Krankenblock, dann starb er. (Dr. Selmond Greenberg)
Es war in der Nähe des Appellplatzes. Ich ging gerade vorbei. Lagerkommandant Förschner hielt etwas in seiner Hand, das wie eine Eisenstange aussah und er schlug mit großer Wucht auf einen Häftling ein. Er schlug auf alle Teile seines Körpers. Der Mann hatte schwere innere Blutungen, Blutergüsse und das rechte Auge war stark geschwollen. … Der Name des Häftlings war Bernstein, er stammte aus Litauen und er starb nach kurzer Zeit. (Dr. Selmond Greenberg)
Einmal, als wir von der Arbeit zurückkehrten, fragte Kirsch jeden Häftling ob er krank sei oder nicht. Wir hatten Angst zu antworten, denn wir ahnten, was uns bevorstehen würde, wenn wir krank im Lager bleiben würden. Dann schlug er die Häftlinge schrecklich. Er trat sie mit den Füßen und er schlug sie mit einer Eisenstange. (Riva Levi)
Kirsch prügelte nicht nur mit seinen Fäusten und Füßen auf die Häftlinge ein, sondern er benutzte auch Stöcke und Gummischläuche. Ich sah ihn viele Häftlinge schlagen. Er schlug sie so schlimm, daß viele der Häftlinge kollabierten. (Dr. Jacob Kaufman)
Mit einem sadistischen Vergnügen schlug er die Alten, die Kranken und die Schwachen. … Während der ersten zwei Monate sah ich Kirsch jeden Tag. Ich arbeitete in der Nähe des Lagers. Hier arbeiteten 18 ältere Menschen, die mehrmals täglich von Kirsch mißhandelt wurden. Auf Grund dieser Mißhandlungen waren nach ungefähr vier Wochen 75 % der Menschen nicht mehr am Leben. Kirsch schlug mit so bestialischer Besessenheit, daß er Gehirnerschütterungen, innere schwere Blutungen und Knochenbrüche verursachte. (Dr. Selmond Greenberg)
„Straf“- Maßnahmen
Es war auf dem Appellplatz. Es war zu der Zeit, als alle Häftlinge zusammen mit den Blockältesten herausgerufen wurden und ein Strafblock auf den Platz gebracht wurde. Ein Gefangener mit dem Namen Feinberg wurde auf den Kasten gelegt und mit einem Holzprügel auf das Hinterteil geschlagen. Kirsch stand dabei und der Blockälteste vollzog die Prügel. Wenn er nicht hart genug zugeschlagen hätte, hätte man ihn selbst auf den Strafblock gelegt. Der Holzprügel war zwei bis zweieinhalb Meter lang und hatte einen Umfang von acht bis zehn Zentimeter. (Dr. Jacob Kaufman)
Der SS-Mann mit dem Ziemer bearbeitete meinen Freund. Bei jedem Schlag entleerte sich der Mastdarm vom mageren Inhalt. (Sam Berger)
…Strafen waren Schläge, Einsperren und Lebensmittelentzug. Die Bestraften verstarben oft während der Strafmaßnahmen. (Ladislaus Ervin-Deutsch)
… als Strafe mußte er stundenlang mit einer Kartoffel im Mund, die Hände nach hinten gebunden stehen. (Sam Berger)
Der doppelte Stacheldrahtzaun war elektrisch geladen. Und wenn die Häftlinge irgendetwas gemacht haben, dann sind die zur Strafe da hineingestellt worden. Die waren doch sowieso schon so schwach. …die haben die da hineingesperrt und dann sind sie schwach geworden, dann sind die an den Zaun hin und dann – dann waren sie tot. …Wenn man da vorbeigefahren ist, da hat man immer fünf, zehn oder fünfzehn im Zaun hängen sehen. (Anni Gabler)
Fünf Gefangene machten sich Fußlappen aus einer Decke und sie wurden auf dem Appellplatz im Lager I aufgehängt. Ich arbeitete damals in der Küche und ich sah, wie Kramer und Kirsch diese fünf Männer aus dem Kartoffelkeller holten. (Riva Levi)
Baruch war fast noch ein Kind, als er hier gehenkt wurde. Er schaute jünger als seine achtzehn Jahre aus, denn er war von den vielen Monaten des Hungers, der harten Arbeit und den Schlägen abgemagert. Sein Verbrechen? Er nahm die verlauste Bettdecke mit sich, als er zur Arbeit marschierte. Er hatte sie unter seinem Gefängnis-Pyjama um seinen Körper gewickelt, um sich vor der grimmigen Kälte, die seinen abgemagerten Körper durchdrang, zu schützen. Der Lagerkommandant verwandelte das Hängen in ein Spektakel. Alle Insassen wurden versammelt um zuzusehen, obwohl dies bedeutete, sie von mehreren Stunden Arbeit zu „befreien“. Der Kommandant brachte sogar Baruch’s Mutter aus einem benachbarten Lager zu dem Spektakel. Wie konnte er wissen, daß die Mutter im Lager I war? Vielleicht hat Baruch um seiner Mutter Willen um Gnade gebeten. Oder vielleicht hat es seine Mutter herausgefunden und bat um Gnade für ihr Kind. Das Spektakel ging nicht so in Erfüllung, wie es sich der Kommandant erwartet hatte, denn Baruch bestieg das Schafott, obwohl sich seine Mutter vor Schmerzen krümmte, sehr tapfer. (Levi Shalit)
Ich war dabei, als an einem Wintertag drei Leute auf dem Appellplatz gehängt wurden, weil sie Lagerdecken zerschnitten hatten… ich hatte in meinen Schuhen auch solche Wickeltücher. Es war schon eine gewisse Ironie, der eine wird dafür gehängt und der andere steht und schaut zu. (Louis Braude)
Anfangs schaut der Häftling weg, wenn er etwa zum Appell kommandiert ist, um beim Strafexerzieren irgendeiner Gruppe zuschauen zu müssen. Noch kann er den Anblick sadistisch gequälter Menschen, den Anblick von Kameraden, die stundenlang im Dreck auf und nieder müssen und hierbei das nötige Tempo durch Prügel diktiert bekommen, nicht ertragen. Tage oder Wochen später geht es ihm aber schon anders: Frühmorgens, noch im Dunkeln, steht er in seiner Arbeitskolonne abmarschbereit auf einer der Lagerstraßen, vor dem Lagertor; da hört er Geschrei, blickt hin und sieht mit an, wie ein Kamerad immer wieder zu Boden geboxt, wieder aufgehoben und wieder niedergeboxt wird – warum? Weil er fiebert, aber erst seit der Nacht, und so nicht rechtzeitig (in der Ambulanz) die Fieberhöhe kontrollieren lassen und sich krankmelden konnte. Jetzt wird er dafür bestraft, daß er den aussichtslosen Versuch unternommen hat, am Morgen krankgeschrieben zu werden, um nicht zur Außenarbeit hinausmarschieren zu müssen. Der beobachtende Häftling aber … schaut nicht mehr weg. Gleichgültig, bereits abgestumpft, kann er ruhig hinsehen. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
Die Selektionen
Es war Generalappell und alle Häftlinge mußten auf dem Appellplatz antreten. Sie wurden in Kategorien eingeteilt – solche die gesund und solche die krank waren. Die Gesunden gingen nach rechts und die Kranken waren links. (Chaim Cylberzweig)
Es gab eine Totalselektion, die mit Ausnahme der höheren Funktionäre alle Häftlinge erfaßte. Langsam defilierten die halbnackten Häftlinge an einem eleganten SS-Arzt vorbei. Es war ein kalter, aber windstiller Tag, so daß man auch mit entblößtem Oberkörper nicht allzusehr fror. … Langsam und kontinuierlich bewegte sich die Kette von Häftlingen über die leicht abschüssige Lagerstraße auf den Mann zu, den wir als sichtbar gewordenes Schicksal akzeptierten. … Jetzt trennten mich nur wenige Meter von ihm. Es herrschte Totenstille, auch der SS-Arzt sprach nicht sondern beschränkte sich – wie das Urbild waltenden Schicksals Dr. Mengele in Auschwitz – auf knappe Gesten, mit denen er die vorbeidefilierenden in Plus und Minus einteilte. (Prof. Herbert Thomas Mandl)
Man mußte sich nackt ausziehen, auch die Schuhe ablegen, wem sie noch gelassen wurden. Danach kam irgendein Hauptmann und selektierte die Gesellschaft. Einen stellte er nach rechts, den anderen links. Eine Gruppe merkte er mit einem Stempel an und dann zeigte er auf eine alte, schlechte Baracke und schickte uns hinein. Das war die Leichenkammer. (Dr. A. Jehuda Garai)
Alle mußten die Hosen herunterlassen und die SS – Leute die ich vorher nie gesehen hatte – haben uns gemustert. Viele von unseren Reihen mußten weg, man stellte sie in einer anderen Ecke auf. … und konnten bei unserer Rückkehr erfahren, mehrere Lastwagen wären erschienen und man hätte sie alle weggebracht. Wohin wußte keiner. Aber daß man sie umgebracht hatte, war mit Sicherheit anzunehmen. (Sam Berger)
Medizinische Versorgung
Im Lager gab es zuletzt nicht einmal theoretisch so etwas wie ärztliche Behandlung. (Prof. Herbert Thomas Mandl)
Das Leben in der Krankenbaracke war schwer. Hier waren Leute, die lebendige Skelette waren und an offenen und infizierten Wunden litten. Jeden Tag starben Dutzende. (Moshe Prusak)
Krankhajt iz gewen erger wi der tojt. Wer s’iz gewen krank – iz gewen szojn umnojttik. … A kranker heftling iz behandelt geworn erger fun a hunt. (Henryk Goldring)
Es gab fast überhaupt keine medikamentöse Behandlung. Als das Lager noch ein Arbeitslager war, wurden wir zum Beispiel von unseren Häftlingsärzten gebeten, von der Baustelle das Papier der Zementsäcke mitzubringen. Diese Papiersäcke wurden zum Verbinden der Wunden benutzt. (Dr. Norbert Fried)
Wir verschafften uns etwas Kohle, aber wir benutzten sie nicht zum Heizen. Wir aßen sie, denn es wurde uns gesagt, daß Kohle den Durchfall abstellt. (Dr. A. Jehuda Garai)
…außerdem herrschte allgemein eine starke Diarrhoe. Mir glückte es, dagegen ein Medikament zu erfinden, das aus Brot, Butter und Silbernitrat zusammengesetzt war. (Dr. Istvan Nagel)
…ein Ruf aus der Baracke, der mich ins Krankenrevier beorderte, um frisch ins Lager gelangte Medikamente für meine Quarantänestation zu fassen – fünf, oder vielleicht auch einmal zehn Tabletten Aspirinersatz oder Cardiazol – für mehrere Tage und für fünfzig Patienten. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
Unser „Krankenhaus“ bestand aus drei abgesonderten Baracken, wo es ungeheures Elend und Gestank gab, als würde es Cholera geben. (Dr. A. Jehuda Garai)
Die Kranken waren in einem entsetzlichen Zustand, meistens vereitert. Um ihnen zu helfen, schnitt ich das Haar bis zur Haut und entfernte auf diese Art und Weise Eiterklumpen. (Dr. Schmuel Mittelmann)
Es gab keinen SS-Arzt der irgendwelche Hilfe im Lager geleistet hätte. Im Lager wurden auch Operationen durchgeführt. Es mußten sogar Amputationen von Beinen im Lager vorgenommen werden. Der Ort, wo dies gemacht wurde, war der gewöhnliche Fußboden einer Hütte. Ob irgendeine Form der Anästhesie während der Operationen durchgeführt wurde, weiß ich nicht – ich hatte niemals die starken Nerven um zuzusehen … (Dr. Norbert Fried)
Nachdem Kaufering IV zum Krankenlager geworden war, durfte keiner der Häftlinge mehr Kleidung haben. Jeder war krank und mußte nackt unter seiner Wolldecke liegen. (Dr. Norbert Fried)
Wir lagen nackt unter den lausigen Decken und unsere Seiten wurden von den harten Brettern aufgerieben. (Dr. A. Jehuda Garai)
In sechs – sieben Tagen hat ihm das Brett das Kreuzbein aufgerieben. Nichteinmal er bekam Stroh. Eine riesige Wunde entstand an seinem Kreuzbein, und dieser Mann lag auf seinem Platz zum Skelett abgemagert, hilflos, mit mehrhandbreiten offenen Wunden, die sich auf seinem Rücken ausbreiteten. (Dr. A. Jehuda Garai)
Krätze war im Lager Kaufering IV eine weit verbreitete Krankheit. Im normalen Leben ist das eine Kinderkrankheit, aber im Lager war es eine tödliche Krankheit. Die Krätze breitete sich schrecklich unter den kranken Häftlingen, die nackt zusammen unter den Decken liegen mußten, aus. Es gab keine Behandlung gegen Krätze. Gerade im Lager wäre sie so von Nutzen gewesen – nichts! (Dr. Norbert Fried)
Ich erinnere mich besonders an einen Fall. Es handelte sich um den tschechischen Zahnarzt Dr. Georg Sachs. Er kam von Lager XI. Ein SS-Mann hatte ihm in den Leib geschossen. Da sie im Lager XI überhaupt keine chirurgischen Instrumente hatten, wurde er von sechs jüdischen Ärzten in unser Lager gebracht. Die Operation fand in der Nacht, gegen Mitternacht oder 1,00 Uhr statt und der Patient überlebte. Er starb aber danach, als jeder Patient an Typhus starb. (Dr. Norbert Fried)
…wenn irgendwann einmal jemand krank wurde, seine Finger abgetrennt wurden oder etwas dergleichen, oder ob jemand einen erfrorenen Fuß hatte – schickten sie ihn zum Krankenlager IV. Dort starb er an Typhus. (Dr. Norbert Fried)
Das Fleckfieber – an dem im Winter und Frühjahr 1945 bekanntlich alle Lagerinsassen erkrankten – hatte, abgesehen von der großen Sterblichkeit unter den entkräfteten, bis zuletzt schwer arbeitenden, dann höchst unzulänglich untergebrachten und medikamentös oder pflegerisch meist überhaupt nicht versorgten Kranken, einige sehr unangenehme Begleiterscheinungen: einen kaum unüberwindlichen Ekel vor jedem Essen (eine zusätzliche Lebensgefährdung darstellend) und die schrecklichen Delirien. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
…mit geschwollenen Füßen und leeren Augen wankten sie herum bis sie zusammenbrachen und todesstarr in die nicht weit liegenden Gruben geworfen wurden. (Zwi Katz)
Nachts taumelten bewußtlose Skelette im Lager wie Gespenster, langsam, wie in einem Spukschloß und suchten in ihrer Bewußtlosigkeit ihre schon lange verstorbenen Verwandten und Freunde. Viele von ihnen erfroren auch und einige wollten zu ihren Verwandten in den Totenbunker. Man mußte sie festhalten. Die Krankheit war sehr ansteckend, denn wir waren voll mit Läusen. Sie saugten unser Blut und dabei steckten sie uns mit dem Blut der infizierten Leute an. (Dr. A. Jehuda Garai)
Ich erkrankte (Typhus?) und war nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Mit anderen Leidenden wurde ich in einem speziellen Erdbunker isoliert. Nach 24 Stunden wurde ich als Leiche auf einen Leichenhaufen geworfen. Dieser Leichenhaufen war im Freien ungefähr 100 Meter von jenem Erdbunker entfernt und wurde jeden Morgen verbrannt. Durch die Kälte kam ich bei der Nacht wieder zum Bewußtsein und erkannte wo ich mich befand. Es gelang mir, mich von den kalten Leichen freizumachen und kriechend durch den Schnee wieder meinen Erdbunker zu erreichen. (Elias Godinger)
Die Zahl der Toten wuchs und ein starker Mann hätte sie mit einer Hand aufgehoben, so leicht waren sie. (Dr. A. Jehuda Garai)
Als in Kaufering der Typhus ausbrach, hatten wir ungefähr 25 Tote am Tag. (Dr. Norbert Fried)
Tog teglech zaijnen gesztorbn 30 – 40 und 50 jidn, S’zaijnen gestorbn alt und jung! (Hendryk Goldring)
Tod und Sterben
Die Ausweglosigkeit der Situation, die täglich, stündlich, minütlich lauernde Todesgefahr, die Nähe des Todes anderer – der Majorität – machte es eigentlich selbstverständlich, daß nahezu jedem eine wenn auch noch so kurze Zeit lang der Gedanke an einen Selbstmord kam. (Prof. Dr. Viktor E. Frankl)
Selbstmord war nichts ungewöhnliches, es geschah täglich. Viele Leute starben, als sie in den Stacheldraht rannten…(Gisela Stone)
…haben sich in den Lagern siebzehn Menschen aufgehängt, bei uns fünf und am nächsten Tag hörte ich von den anderen. … einer auch in unserem Block. Am Morgen beim „Licht auf“, als das Licht angeschaltet wurde, sahen wir erschrocken den ausgekühlten Körper in der Baracke hängen. (Dr. A. Jehuda Garai)
Im Morgengrauen wurden die Toten hinaus zum Appell gebracht und vor die „Bude“ gelegt. Die Wachen zählten die Toten und jene, die am Leben geblieben waren, um sicherzugehen, daß die Zählung korrekt war. (Levi Shalit)
Für die toten Häftlinge im Lager Kaufering IV gab es ein besonderes Arbeitskommando. …Die Aufgabe dieses Arbeitskommandos war es, die 20, 25 oder 30 täglichen Leichen zu begraben. Da das die einzige Möglichkeit für mich war, aus dem Lager hinauszugelangen, meldete ich mich am 21. März, am Frühlingsanfang, freiwillig und ging mit ihnen. Die nackten Leichen wurden auf den Handkarren gelegt. Die Goldzähne waren bereits schon vorher entfernt worden. Das war eine besondere Aufgabe für einen der Häftlinge – einen Zahnarzt. Unter Aufsicht der SS wurden die Zähne aus dem Mund der Toten herausgebrochen. …Jeden Tag verließ das Leichenkommando das Lager – 15 bis 20 Leichen und mehr. Es war ein Grundsatz, soviele Männer im Leichenkommando wie Leichen zu haben. (Dr. Norbert Fried)
…wurden die Leichen bestattet, die man im Laufe der Woche zum Bestatten gesammelt hatte, in Gruppen von zehn bis zwölf in einem Grab. … Die Leichen haben wir auf denselben Wägelchen transportiert wie die Brote und sonstigen Proviant. (Sam Berger)
Zuerst sind sie in die Totenkammer gekommen. Das war ein kleines Haus – eine Hütte. Die Toten wurden ausgezogen und es wurden ihnen die Goldzähne entfernt. … zwei Tage nachdem mein Vater gestorben war, hat man eine Gruppe von zehn Leuten und mich genommen, um die Toten aus der Totenbaracke herauszuholen und sie dann in ein Massengrab zu schütten. Da war auch mein Vater dabei. Ich hatte glücklicherweise nicht den Auftrag, die Leute auf das Wägelchen zu werfen, sondern ich habe das Wägelchen bloß geschoben. (Louis Braude)
Ich, ein Kind mit 13 Jahren, mußte jeden Tag mit zwei anderen Arbeitern die Toten herausholen und auf dem Lagergelände begraben. Der Anblick war schockierend! (Moshe Prusak)
Ich habe die Massengräber, 10 bis 12 Leichen in einer Grube, gesehen, und die lagen übereinander. (Sam Berger)
…und dann haben wir in die Grube hinuntergeschaut … Die toten Häftlinge waren blau, da haben Sie jede Blutader gesehen. Die, welche den Arm freigehabt haben, da waren an den Achselhaaren – da waren büschelweise Läuse drinnen – und die waren abgemagert bis zum Skelett, aber keine Kleidung an und sind frei da drinnen gelegen … Das war ein schauderhafter Anblick, das könnte ich nie mehr sehen. (Franz Rech)
Zwei der Leichengruben wurden von uns geöffnet. Wir fanden Leichen, fünf Lagen hoch geschichtet und in einer Reihe von dreißig Stück; die Grube war zwölf Fuß breit. Wir fanden zwischen 2000 und 3000 Tote in jeder dieser zwei Gruben….Die Arme und Beine der Toten waren verflochten um den Platz auszunutzen. Ich erinnere mich, daß der Arzt (Major Larsen) einige untersuchte und sagte, daß die Arme und Beine von einigen Leichen, als sie zusammen hineingeschichtet wurden, gebrochen worden waren. (John E. Barnett, Captain der US-Army)
Die Wirklichkeit ist viel ärger als eine realistische Erzählung oder Dichtung. Diese Hölle, in der die Juden auf grausamste Art umgebracht wurden, nachdem ihnen alles geraubt wurde – nichteinmal ihr Name, ihre Haare und Zähne wurde den unglücklichen Opfern gelassen – konnte auch ein Dante nicht schildern. Selbst die große Phantasie und Begabung dieses Schriftgiganten genügte nicht, um sich eine Vorstellung von dieser, von den Nazis geschaffenen Hölle zu machen. (Elias Godinger, 25.Januar 1992)
Zeitzeugen aus den Kauferinger Lagern:
- John E. Barnett, Captain der US-Army, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Sara Bentar/Anne Cohen/G. u. L. Hasson, ehem. KZ-Häftlinge Kaufering II
- Moses Berger, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Sam Berger, ehem. KZ-Häftling Kaufering III und IV
- Louis Braude, ehem. KZ-Häftling Kaufering I
- Chaim Cylberzweig, ehem. KZ-Häftling Kaufering VIII, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Ladislaus Ervin-Deutsch, ehem. KZ-Häftling Kaufering III
- Prof. Dr. Viktor E. Frankl, ehem. KZ-Häftling Kaufering III
- Dr. Norbert Fried, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Anni Gabler, ehem. Bahnhofsangestellte; Zeitzeugin
- Zew Garfinkel, ehem. KZ-Häftling Kaufering I
- Dr. A. Jehuda Garai, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV
- Elias Godinger, ehem. KZ-Häftling Kaufering III und VIII
- Henryk Goldring, ehem. KZ-Häftling Kaufering II
- Dr. Selmond Greenberg, ehem. KZ-Häftling Kaufering I, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Otto Greenfield, ehem. KZ-Häftling Kaufering III
- Dr. Ivan Hacker, ehem. KZ-Häftling Kaufering III
- Dr. Jacob Kaufman, ehem. KZ-Häftling Kaufering I, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Miroslav Karny, ehem. KZ-Häftling Kaufering III
- Zwi Katz, ehem. KZ-Häftling Kaufering I
- Schmul Kuczinski, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Riva Levy, ehem. KZ-Häftling Kaufering I, Zeugin im großen Dachauprozeß
- Prof. Herbert Thomas Mandl, ehem. KZ-Häftling Kaufering III und IV
- Dr. Albert Menasche, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV und VII
- Dr. Schmuel Mittelmann, ehem. KZ-Häftling , jedoch Lager ungeklärt.
- Dr. Istvan Nagel, ehem. KZ-Häftling Kaufering, jedoch Lager ungeklärt.
- Zdenek Ornest, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV und VII
- Moshe Prushak, ehem. KZ-Häftling Kaufering I
- Franz Rech, Landwirt, Zeitzeuge
- Abraham Rosenfeld, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Moses Rutzaisky, ehem. KZ-Häftling Kaufering I, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Chaim Sendofski, ehem. KZ-Häftling Kaufering IV, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Levi Shalit, ehem. KZ-Häftling Kaufering II
- Gisela Stone, ehem. KZ-Häftling Kaufering I und XI
- Karl Stroh, Konstruktionsingenieur der Firma Moll, Zeuge im großen Dachauprozeß
- Maria Tuszkay, ehem. KZ-Häftling Kaufering I
- Mark Weinberg, ehem. KZ-Häftling Kaufering I, II, IV und XI
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